Social Media: „Fokus statt Gießkanne“
Helge Ruff konzentriert sich seit acht Jahren auf Social Media. Seine Spezialagentur One Two Social betreut Kunden wie KFC, die Süddeutsche Zeitung, MAN und Oddset. Ein Interview über Gegenwart und Zukunft der sozialen Netzwerke.
DMEXCO: Vor zehn Jahren war Social Media der ganz heiße Scheiß und vor fünf Jahren kannte die Euphorie keine Grenzen. Wo steht Social Media heute?
Helge Ruff: Social Media hat sich mittlerweile zum Standardkommunikationskanal entwickelt und gehört zum Alltag der Menschen. Es ist vergleichbar mit dem Aufkommen des Internets. Am Anfang sprachen alle von Euphorie und „Neuland“, mittlerweile wird dieses Medium völlig selbstverständlich genutzt. Und zwar quer durch alle Zielgruppen und in steigendem Ausmaß: Soziale Medien lösen klassische Medien wie etwa TV immer weiter ab. Gerade bei der jüngeren Zielgruppe bis 35 sind die Plattformen häufig der meist genutzte Kommunikations- und Informationskanal.
DMEXCO: Gibt es überhaupt noch “das” Social Web, oder ist es längst in einzelne Gruppen und Filterblasen zerfallen?
Helge Ruff: DAS Social Web hat es nie gegeben. Auch in der Vergangenheit ging es nicht alleine darum, Freunde miteinander zu vernetzen. MySpace war beispielsweise dazu gedacht, Menschen eine Plattform zu geben, um sich zu präsentieren. Jede einzelne Plattform unterliegt einer Evolution und verändert sich durch das Nutzerverhalten. Etwa dadurch, dass Menschen nicht mehr so stark dazu neigen, so viel aus ihrem Privatleben preiszugeben wie früher. Stattdessen konsumieren sie mehr. Oder die Verlagerung der öffentlichen Kommunikation in Richtung von Likes und die vermehrte Nutzung von Messenger-Diensten. Die Newsfeeds werden als Informations- und Inspirationsquelle genutzt, weshalb sie für Unternehmen so interessant sind. All das wirkt sich auf die Entwicklung der Plattformen aus und lässt sie sich stetig wandeln.
DMEXCO: Fabian Spielberger von Pepper.com hat neulich auf der iCONSMr davor gewarnt, immer alle möglichen Plattformen bespielen zu wollen. Stattdessen sollten sich Marken auf die Socials konzentrieren, die sie intensiv bespielen können. Hat er recht?
Helge Ruff: Das ist ja nichts Neues. Wir raten unseren Kunden schon immer zu „Fokus statt Gießkanne“ und „Qualität statt Quantität“. Wie auch schon vor 50 Jahren sollte es im Marketing immer zuerst um die Überlegung gehen, welche Zielgruppe man erreichen möchte. Und daraus ergibt sich dann die Auswahl der Plattformen. Und diese gilt es dann mit extrem hochwertigen und den jeweils passenden Contents zu bespielen.
DMEXCO: Gibt es Plattformen, von denen sie Ihre Kunden abraten würden?
Helge Ruff: Das hängt ganz vom Kunden ab. Wir raten unseren Kunden von jeder Plattform ab, die den Zielen nicht zweckdienlich ist und zur Zielgruppe nicht passt. Ich würde jedoch keine Plattform von vornherein grundsätzlich ausschließen.
DMEXCO: Wo sehen Sie Social Media in fünf Jahren?
Helge Ruff: Eine Frage, die sehr schwierig zu beantworten ist! Ich denke, dass die derzeitigen Plattformen auch in Zukunft noch ihren Bestand haben. Facebook wurde schon zig Mal tot gesagt und auch wenn man sich im Bekanntenkreis umhört, bemerkt der ein oder andere, dass er Facebook schon lange nicht mehr nutzt. Die Statistiken zeigen jedoch das Gegenteil: Eine immer noch extrem intensive Nutzung.
Neue Plattformen werden es schwer haben, auf den Markt zu drängen. Denn die derzeitigen Kanäle sind bereits sehr tief im Leben der Nutzer verankert. Gerade die jüngere Zielgruppe orientiert sich an Influencern. Da diese ihre Reichweite aber mühsam aufgebaut haben, werden sie so schnell nicht auf neue Plattformen ausweichen, was die Marktdurchdringung deutlich erschwert.
DMEXCO: Welche Rolle spielen Messenger-Plattformen?
Helge Ruff: Ich denke, dass Messenger eine höhere Relevanz bekommen. WeChat in Asien gibt ein recht klares Bild der Zukunft. Es geht nicht mehr um das Texten, sondern um umfangreiche Anwendungen, die den Nutzern das Leben erleichtern. Bezahlsysteme werden sicherlich eines der wesentlichen Neuerungen werden. Sie bieten Unternehmen völlig neue Möglichkeiten, ihre Produkte zu verkaufen: Flüge kaufen, Restaurantrechnungen zahlen, Geld an Freunde schicken, et cetera. – das kann alles über nur eine Anwendung erfolgen.